Passauer Landlust
Vom Dinkel zur Nudel
100 Prozent niederbayerische Pasta
Portrait
Alois
Egger
In Amsham, einem kleinen Weiler bei Bad Griesbach, betreibt die Familie Egger einen Bio-Bauernhof. Landwirt Alois Egger kultiviert auf seinen Feldern im Rottal überwiegend Dinkel. Daraus stellt die Familie Produkte her, die im Hofladen vermarktet werden. Besonders beliebt sind die Dinkelnudeln vom Nachbar-Hof, wie der Bauernhof hier genannt wird. Wir dürfen Schwiegertochter Julia bei der Nudelherstellung über die Schulter blicken.
Bio-Landwirt Alois Egger steht im Dinkelfeld. Er kontrolliert gerade den Reifegrad des Dinkels. Normalerweise wird das Getreide Ende Juli bereits gedroschen, wegen der regenreichen Zeit im Sommer 2021 musste die Ernte noch etwas auf sich warten lassen. Erst Ende August kam der Mähdrescher und trennte das Korn von Ähren und Halm. Neben Dinkel kultiviert Alois Egger Hafer, Roggen, Soja, Hanf, Lein und Leguminosen wie Ackerbohnen, Linsen oder Erbsen. „Unser Dinkel kommt im Herbst samt Spelz in die Erde. Das macht ihn widerstandsfähiger. Denn der Spelz hält Umwelteinflüsse ab“, erklärt Alois Egger. Von der Düngung her sei der Dinkel recht genügsam, so der Landwirt, der lediglich Mist von seiner eigenen Rinderherde ausbringt, um den Boden zu verbessern.
Ein Großteil seines Dinkels geht an eine regionale Bio-Bäckerei. Der Rest landet als Mehl im Hofladen oder bei seiner Ehefrau Martina und Schwiegertochter Julia in der Küche. Sie bereiten aus den hofeigenen Hühnereiern und dem Amshamer Dinkel Nudeln zu. „Dinkel ist eine Urform des Weizens und weniger überzüchtet. Für die Menschen ist er verträglicher. Daher greifen immer mehr zu Dinkel. Viele ersetzen Weizenmehl gänzlich. Das funktioniert prima“, erklärt Julia Egger. Sie ist gelernte Produktdesignerin und mit Sebastian, dem Sohn von Alois und Martina verheiratet. Gemeinsam leben sie am Bauernhof und helfen alle zusammen. Julia brennt für die Landwirtschaft. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter hat sie eine Ausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin abgeschlossen, um ihr Wissen weiter zu vertiefen. Das kann sie bei der täglichen Arbeit am Hof und in der Küche gut gebrauchen. Uns zeigt sie heute, wie am Nachbar-Hof leckere Dinkelnudeln entstehen.
Eier von glücklichen Hühnern
Bevor wir mit der Nudelherstellung beginnen, holen wir frische Eier. Die kleinen Ställe liegen in direkter Nähe zum Nachbar-Hof. Munter scharren und gaggern rot gefiederte Hühner auf ihrer Weide im frischen Kleegras. „Das Prinzip der mobilen Ställe funktioniert prima“, strahlt Julia Egger auf dem Weg zur Eierablage. Sie verrät, dass die Hühner jede Woche umziehen. So würden sie stets frisches Futter und eine saubere Lebensgrundlage haben. „Durch den Umzug ziehen wir auch möglichen Krankheiten davon. Unsere Tiere sind sehr gesund“, sagt die 25-Jährige. Das sieht man der munteren Truppe an. Julia Egger entnimmt ein braunes Ei nach dem anderen. Sie werden – wie könnte es anders sein – auf Dinkelspelz gelegt. Das hat den Vorteil, dass die Eier schön sauber bleiben. Außerdem finden die Hühner so eine natürliche Ablagefläche vor.
Nachdem wir die Eier abgeholt haben, geht es ans Nudeln machen. Julia schlüpft in ihre weiße Hygienekleidung, während wir mit Martina in die Küche gehen. Denn für die Herstellung der hofeigenen Produkte hat die Familie Egger eigens eine kleine Küche eingerichtet. Nach dem Händewaschen wiegt die Hauswirtschafterin ein Kilogramm vom Dinkelvollkornmehl ab und gibt es mit einer kräftigen Prise Salz in eine Rührschüssel. Dazu kommen acht Eier. Die Mutter von zwei Kindern schlägt ein Ei nach dem anderen auf und kontrolliert es. Die Dotter sind kräftig gelb. „Als Bio-Landwirte setzen wir dem Futter keine Farbstoffe hinzu. Die Farbe entsteht durch gutes Futter und unser Kleegras“, versichert sie. Nun gibt sie Mehl und Eier in eine kleine Küchenmaschine. Dort wird der Teig vermischt und kommt anschließend in die Nudelmaschine. Diese knetet ihn nochmal kräftig durch, damit sich alles miteinander verbindet. Eier und Dinkelmehl stammen ja aus der eigenen Landwirtschaft. Lediglich der Hartweizengries für Hartweizennudeln wird regional zugekauft. Doch wir bleiben bei der gesünderen Variante aus Vollkornmehl, das in der Nachbarschaft frisch gemahlen wird.
Der Nachbar-Hof hat eine lange Geschichte
In Bayerns Dörfern hat jedes Anwesen oder mindestens jeder Bauernhof seinen Hofnamen, der sich über Jahrhunderte erhalten hat. Der Bauernhof von Familie Egger wird seit Generationen „Nachbar-Hof“ genannt. Er ist bereits 1538 das erste Mal urkundlich erwähnt worden. Damals lebte die namensgebende Familie Nachbar am Hof. Seit 1806 liegt er in den Händen der Familie Egger. Aktuell leben hier vier Generationen. Oma Mina Egger, die Inhaber Alois und Martina Egger sowie Sebastian und Julia Egger mit ihren beiden Töchtern Leni und Sophia. Alle helfen fleißig zusammen, um den Betrieb weiterhin zukunftsfest zu machen. Dabei steht die Familie auf mehreren Standbeinen. Die Tierhaltung, die Felderwirtschaft und die Direktvermarktung. Sebastian und Julia setzen zudem auf mobile Schlachtungen von Weidehähnchen. Mit einem modernen Schlachtanhänger sind sie auf den Bauernhöfen in der Region unterwegs, um Geflügel artgerecht zu schlachten. Im Fokus der Familie Egger steht immer die Arbeit im Einklang mit der Natur. So wirtschaften Martina und Alois Egger seit 20 Jahren nach den biologischen Richtlinien des Biokreis.
Pasta, per Hand hergestellt
Die Nudelmaschine rührt und rührt. Julia wirft einen prüfenden Blick hinein. Der Teig hat sich noch nicht optimal verbunden, daher gibt sie noch ein frisches Ei dazu. Vor allem Vollkornnudeln brauchen mehr Flüssigkeit. Jetzt darf der Teig nochmal ein paar Minuten kneten. Dann ist die Masse schön glatt. Die junge Frau wählt eine Matrize für Fusilli und steckt sie auf. Während sich erste kleine Fusilli aus der Nudelmaschine drehen, erzählt Julia, dass der Nachbar-Hof auch weitere Nudelsorten im Angebot hat. Für die Bärlauchnudeln sammelt Kräuterpädagogin Martina Egger frische Bärlauchblätter, trocknet und mahlt sie fein. Doch auch Paprikanudeln, Rote-Bete-, Kürbis-, Chili-, Knoblauch- oder Kurkumanudeln verlassen die kleine Küche. Mehr und mehr Fusilli landen in dem weißen, gelochten Blech.
Julia greift immer wieder hinein und verteilt sie. In der Zwischenzeit setzt sie die nächste Teigportion in der Küchenmaschine an. „Unsere Gastromaschine ist nur für kleine Mengen geeignet. Daher machen wir immer kleine Portionen, damit der Teig stets frisch bleibt“, erklärt sie. Etwa drei Kilogramm Nudeln können in einem Aufwasch hergestellt werden. „Mit der Zeit wird die Maschine zu warm, dann klappt es nicht mehr“. Nachdem der Teig verarbeitet ist, werden die fertigen Nudeln luftgetrocknet. Sie kommen – im Gegensatz zu industriell hergestellten Nudeln – nicht in eine Trockenkammer, sondern bleiben in der Küche. „Durch das langsame Trocknen quellen die Nudeln beim Kochen viel stärker auf als herkömmliche. Zudem sättigen die Vollkornnudeln sehr gut. Da braucht man viel weniger“, sagt die Hauswirtschafterin. Insgesamt sind sie etwa eineinhalb Jahre haltbar. „Viele fragen, warum die Kochzeit nicht auf der Verpackung steht, aber das können wir nicht genau sagen. Sie hängt von den Eiern ab. Die sind je nach Jahreszeit unterschiedlich“, erklärt Julia und zeigt uns einen Ständer mit den unterschiedlichsten Nudelsorten. Hier trocknen mehrere Sorten Spaghetti, Dinkel-Fusilli und Hartweizen-Fusilli. Helle Hartweizengrießnudeln, aber auch orange Kurkuma- und grüne Bärlauchnudeln. Sie sind allesamt von einem Bio-Restaurant vorbestellt und werden in den nächsten Tagen abgeholt. Daneben entstehen in der Küche der Eggers auch Buchstabennudeln oder Bandnudeln. Die gängigsten Sorten also.