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Passauer Landlust

 

Biobäckerei, Biomühle, Kraft­ort - die Graf­mühle in Thyrnau

Mit purer Reinheit vom Korn zum Brot

Portrait

Josef und Michaela
Bauer
mit ihren Kindern
Liselotte,
Simon und Philipp

Josef und Michaela Bauer mit ihren Kindern Liselotte, Simon und Philipp
Ein ganz besonderer Ort ist Grafmühle bei Thyrnau. Die gleich­na­mige Mühle zählt zu den ältesten Müh­len- und Bäckereibetrieben Deutsch­lands. Josef Bauer führt den Familienbetrieb in der neun­ten Generation, er hat kom­plett auf Bio umgestellt und betreibt eine „Slow Bakery“ im Passauer Land. Seine Brote und Backwaren sind völlig na­turbelassen. Eigenes Quell­wasser, Biogetreide aus dem Land­kreis Passau und selbst­geführter Natur­sauer­teig sor­gen für Frische und Ge­schmack. Uns gewährt der Bäcker­meis­ter und Müller einen kleinen Einblick in sei­ne Back­stube, die Familientra­di­tion und die hohe Kunst des Brot­backens.

„Wenn du den Namen vom Vater hast, weißt du schon, was es geschlagen hat“, lacht Josef Bauer. Damit meint er die Familientradition der Grafmühle, die bei den Bauers bereits seit 1713 besteht und immer wieder wei­ter­gegeben wird. Josef Bauer betreibt die Mühle mit Bäcke­rei mittlerweile in der neunten Genera­tion. Er übt seinen Beruf mit Leib und Seele aus. Brennt für das Müller- und Bäcker­hand­werk, dem er insbe­son­dere durch handwerkli­ches Können nachgeht. Das zeichnet die Graf­mühle ganz be­sonders aus. Und macht die Pro­dukte weit über die Grenzen Thyrnaus beliebt. Verwendet werden ausschließlich na­tur­belas­sene Roh­stoffe in Bioqualität. Fer­tig­mi­schun­gen oder Ähnliches findet man im Betrieb von Josef Bauer nicht. Hier dürfen die Teige noch ausreichend lange reifen, was Brot, Sem­meln und Co. natürlich be­kömmlicher macht. Die­ser achtsame Umgang mit nach­wach­sen­den Rohstoffen wie Weizen, Dinkel, Roggen und Emmer, aber auch mit Ressourcen wie Wasser ist Josef Bauer und seiner Ehefrau Michaela besonders wichtig.

Gutes Brot braucht Zeit

An die 150 handgemachte Brote verlassen die Backstube täglich. Besonders beliebt ist das Josefbrot. Bei dessen Zu­bereitung dürfen wir Josef Bauer über die Schulter blicken. Es ist eine helle Brot sorte mit knuspriger Kruste und grober Porung. Während er den Teig aus Quellwasser, dunklem Weizenmehl und Salz knetet, erklärt der Bäckermeister: „Je länger die Teigführung geht, desto besser wird das Brot. Unter vier Stunden kommt mir nichts in den Backofen. Durch die lange Gehzeit wird das Brot auch bekömm­lich. Reizdarm­probleme sind damit so gut wie ausgeschlossen. Denn die dafür verantwortlichen Fodmaps sind nach dieser Zeit abgebaut“. Die Herstellung des Josefbrots benötigt etwa drei Tage. Zunächst setzt Josef Bauer den Natursauerteig aus Roggenmehl und Wasser an, tags drauf stellt er einen Vorteig her, verknetet Stunden später alle Zutaten miteinander und gibt den Teig für etwa zwölf Stunden in die Kühlung. Daher ist das Brot trotz seines hohen Weizenanteils sehr bekömmlich. Bei allen Brotteigen verzichtet Josef Bauer auf die Zu­gabe von Hefe. Für genügend Backtrieb sorgt der Sauerteig. Nun walkt Josef Bauer den Teig zu runden Kugeln. Diese legt er nacheinander in Körbchen aus Peddingrohr und schlägt ein Kreuz in den Teigling. „Wenn das Kreuz nicht mehr zu sehen ist, dann ist die Oberflächen­spannung richtig, das Brot ist reif für den Ofen. Dieser Handgriff wurde seit Generationen überliefert. Damit segne ich mein Brot auch irgendwie“, sagt der Bäckermeister. Der alte Holzbackofen wird mit Holzscheiten betrieben. Nachdem er voll aufgeheizt ist, hat er 300 Grad. „Das ist zu heiß fürs Brot, daher muss er etwa eine Stunde stehen, damit die Temperatur zwischen 240 und 250 Grad fällt“, erklärt Josef Bauer, als er die Brote einzeln einschießt. Sie dürfen nun für eine gute Stunde backen.

Der Natur­sauer­teig macht’s

Der Tag des Familienvaters ist zweigeteilt. Kurz nach Mitternacht steht er auf. Denn um ein Uhr früh müssen die Brotteige angesetzt werden, damit sie gegen fünf Uhr in den Ofen geschoben werden können. Um die Mittagszeit ist die Produktion beendet und um 15 Uhr muss der Sauerteig schon wieder eingerührt werden. Dafür verwen­det Josef Bauer nur eigenes Quellwasser und Mehl: Für Roggen­brote wird Roggen­mehl, für Dinkelbrote Dinkel­mehl und für Vollkornbrote wird Vollkornmehl zugesetzt. „Man hält sich immer etwas Sauerteig zurück und setzt damit den nächsten an“, erklärt er, als er den Bottich öffnet. Der Sauerteig riecht frisch und kräftig nach Essig. In der Regel darf er bei Raum­temperatur zwischen 22 und 24 Grad reifen. Für 50 Dinkelbrote beispielsweise reicht schon ein Pfund Sauerteig. „Die Säure ist für die Frischhaltung wichtig. Wenn Natursauerteig schön durch­gesäuert ist, schimmelt das Brot nicht – außer es ist nicht ganz durchge­backen oder wird falsch gelagert“, weiß der Bäcker­meister. Er empfiehlt, Brot in ein Leinentuch einzuschlagen und so im Brottopf zu lagern. „Das Leinentuch ist wichtig, denn Brot tendiert immer zum Austrocknen. Es gibt Wasser ab. In einem geschlossenen Behältnis kondensiert das Wasser an der Ober­fläche. Ein Nährboden für Schimmel entsteht. Daher ist ein Puffer wichtig“, so der Experte.

Ein echter Familienbetrieb

Klassiker sind Sorten wie das runde Bauern­brot mit ganzen oder gemahlenen Ge­wür­zen oder veredelt mit Kürbiskernen. „Wer auf Weizenmehl verzichten möchte, der greift zu unseren reinen Vollkorn­broten aus Roggen oder Dinkel. Oder zur Tante Emmer, einem Emmervollkornbrot, das wir für den Unver­packt-Laden in Passau entwickelt haben. Neben einem kleinen Roggenansatz kommen Kürbis- und Son­nenblumenkerne, Leinsamen und Gelbe Rüben rein. Eine richtige Energie­bombe“, sagt Michaela Bauer, die kurz in der Backstube nachsieht. Sie ist studierte Theater­wissenschaftlerin, war lange für große Konzerne in der Markenkommunikation und Unternehmensberatung tätig. Vor zehn Jahren hatte sich die Österreicherin in Josef Bauer und die Grafmühle verliebt. Gemeinsam haben sie drei Kinder, Lieselotte (9) und die Zwillinge Simon und Philipp (6). Mit am Anwesen lebt auch Senior-Chefin Gertraud Bauer. Der ganze Stolz der Familie ist die quirlige Dackeldame Jenny. Michaela Bauer kümmert sich neben Büroarbeit und Verkauf um die Wissens­ver­mittlung in den Bereichen Nach­haltigkeit und Ernährung. Dabei ist sie Ansprech­part­nerin für Erwachsenenbildung und Schulen. Der Duft der Backstube und die Abläufe waren ihr von Anfang an vertraut, bereits ihr Groß­vater hatte eine Bäckerei. „Ich spürte sofort dieses Heimatgefühl. Hier kommt man echt runter von der Hektik des Alltags, sitzt unterm Kastanienbaum und blickt auf ein jahrhun­derte­altes Haus, das auf Granit gebaut ist. Für mich ist das ein Kraftort“, sagt Michaela Bauer. „Viele Elemente verbinden sich hier. Du hast das Element Wasser, einen festen Untergrund aus Stein, den Wald vor der Tür und das Element Feuer in der Backstube. Da kann man zur Ruhe kommen, sich entschleunigen, neu ausrichten“, fährt die ausgebildete Achtsam­keits­trainerin fort. In der Graf­mühle ist ein entschleunigter Einkauf mög­lich. Man kommt ins Gespräch und ist herzlich willkommen.

Bio – vom Korn bis zum Laib

Das gesamte Getreide stammt von Feldern und Bio-Landwirten aus dem Landkreis Passau. Es wird momen­tan in der Getreidereinigung Dankesreiter gereinigt. Ein Teil davon wird nach der Säuberung gleich zu Vollkornmehl vermahlen. Der Rest kommt nach Passau zur Steffelmühle, um zu Auszugsmehl verarbeitet zu werden. In abseh­barer Zeit möchte Josef Bauer einen Großteil der Mehle wieder frisch vor Ort in der Graf­mühle mahlen. Die Vorbe­reitungen dafür laufen aktuell. Insgesamt ist Michaela und Josef Bauer wichtig, vom Korn so viel wie möglich zu verwerten, was sich an der großen Auswahl an Vollkornprodukten zeigt. Auch Altbrot, das in der Bäckerei anfällt, wird an die eigene Kuhherde ver­füttert. Dadurch entsteht ein in sich ge­schlos­sener und besonders nachhaltiger Kreislauf. Darauf und insbe­sondere auf die regio­nale Wertschöp­fungs­kette, die sie sich aufgebaut haben, sind sie sehr stolz. Vom Korn bis zum fertigen Laib ist alles nach den Richtlinien des Biokreis e.V. ausgerichtet.

Neue, nach­haltige Wege

Durch die Idee von Verkaufsständen auf den Wochenmärkten in Passau ist der Betrieb gewachsen. Daher ist Josef Bauer momentan drauf an dran, die Prozesse in der Bäckerei zu vereinfachen, auf eine Tagesbäckerei umzu­stellen und einen kleinen Personalstamm aufzubauen. Unterstützt wird er in der Back­stube nun von Christina, die sich vor allem um die Herstellung von Kleingebäck kümmert. So kann sich Josef Bauer auf die zwölf verschie­denen Brotsorten konzentrieren, die die Back­stube wöchentlich hervorbringt. Denn das Brotbacken und insbesondere der Betrieb des fast 100 Jahre alten Holzback­ofens benötigt große Erfahrung. Um Mühle, Backstube, Ver­kauf und Familie unter einen Hut zu bringen, denken die Bauers auch an die Gründung einer Solidarischen Backstube. „Das Konzept gefällt mir. Ich mag es, wenn sich um mich herum was rührt. Da macht die Arbeit gleich noch mehr Spaß“, sagt Josef Bauer. Doch ob sich das Projekt, das mit der Gründung eines Vereins und fleißigen Mitgliedern, die sich auf un­ter­schiedliche Weise einbringen, verbunden ist, realisieren lässt, müssen Michaela und Josef erst noch prüfen. Einen Schritt weiter sind sie bei der Umstellung des Betriebs, was kli­ma­neutrales Wirtschaften angeht. Alle Prozesse sind mittlerweile klimaneutral angelegt. Nun ist die Zeit abgelaufen. Die Backstube duftet schon herrlich nach frischem Brot. Josef Bauer nimmt den Schieber und holt das erste Josefbrot aus dem Ofen. Er klopft an der Unterseite. Es klingt hohl, also ist das Brot durchgebacken. Die Kruste ist schön resch und knackt beim Zusammendrücken. Ausgekühlt schmeckt das Josefbrot hervorragend zur Brotzeit, die kann am steinernen Tisch, unter schattenspendenden Kastanien eingenommen werden, oder im Brotzeitstüberl.
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