Passauer Landlust
Wald, wild, lecker
Wildkochkurs bei Stefan Waldbauer
Portrait
Stefan
Waldbauer
Etwa acht Kilometer vom Hauzenberger Ortszentrum entfernt liegt der 400- Seelen-Ort Haag. Dort betreibt Stefan Waldbauer gemeinsam mit seiner Ehefrau Barbara das Gasthaus Waldbauer. In vierter Generation steht der 38-Jährige am Herd der Küche. Als passionierter Jäger beherrscht Stefan Waldbauer auch die hohe Kunst der Wildküche. Wir durften den Küchenmeister bei einem Wildkochkurs begleiten und Klassiker wie Rehbraten in Rotweinsoße, aber auch Ausgefallenes wie Reh-Tatar oder Reh-Bowl im Asia-Style zubereiten.
Das Gasthaus Waldbauer in Haag bei Hauzenberg ist ein waschechter Familienbetrieb. 1901 von seinem Ur-Großvater gegründet, wird es heute von Küchenmeister Stefan Waldbauer und dessen Ehefrau Barbara geführt. Schräg gegenüber dem Gasthaus ragt ein ungewöhnlicher Kirchturm empor. Als würde sich ein dünner Speer gen Himmel strecken. Er gehört zur St. Nikolaus Pfarrkirche im Dorfzentrum von Haag. Neben der Kirche ist auch das Gasthaus mit seiner kreativen bayerischen Küche ein Mittelpunkt des Dorflebens. Hier treffen sich die Einheimischen auf eine Feierabendhalbe, Urlauber genießen die bayerische Küche und Passauer freuen sich auf eine Landpartie aus saisonalen Zutaten und raffinierten Wildgerichten. So stehen neben Beef-Tatar vom niederbayerischen Rinderfilet, dem klassischen Schnitzel „Wiener Art“ auch Carpaccio vom Rehrücken mit marinierten Trauben oder ein Cordon bleu vom Wildschwein, gefüllt mit hausgeräuchtertem Wildschweinspeck, und Bratkartoffeln auf der Karte.
Bei Wildkochkursen gibt der Küchenchef seine Handwerkskunst gerne weiter. „Wir verarbeiten heute Reh“, sagt Stefan Waldbauer. Er ist in seinem Element. Die Jagd und das Kochen sind seine beiden Leidenschaften. Das spürt man. Drei Männer und drei Frauen in grünen Waldbauer-Schürzen hören ihm gespannt zu. „Die erste Frage, die wir beantworten, ist: Wie gehe ich mit einem ganzen Reh um?“, fährt der Küchenmeister fort. Denn frischer und regionaler kann man sein Fleisch kaum kaufen. Er hat bereits drei Stationen mit roten Fleischbrettern aufgebaut. Vor ihm liegen grob zerwirkte Fleischteile mit Knochen. Das Reh hat er gestern Abend in seinem Edelsdorfer Revier, das sich über die Donauleite und bis nach Rackling zieht, erlegt. Nun lernen wir, wie man Rücken, Schulter und Keule fachmännisch auslöst.
Unter Messers Schneide
„Am Knochen darf
ruhig ein bisschen Fleisch
dran bleiben, das ist
gut für die Soße.“
Profi-Tipp
„Nein. Als die Kühlmöglichkeiten noch nicht gegeben waren, hat man Wild gerne eingelegt. Das lag weniger daran, dass das Fleisch zarter werden sollte als an der schlechten Fleischhygiene. Was man lange als typischen Wildgeruch bezeichnet hat, war eigentlich Verwesungsgeruch. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heute haben in der Regel alle Jagdpächter Wildkühlschränke oder sogar einen Kühlraum, um das erlegte Wild fachgerecht zu lagern. Frisches Wild riecht nicht, daher ist es nicht nötig, das Fleisch einzu legen, um seinen Geschmack zu überlagern.“
Rotwein: Viel hilft viel
Als sie ausgelöst ist, würzt er sie mit grobem Pfeffer und etwas Salz. Dann erhitzt er Sonnenblumenöl zum Anbraten. Legt die Fleischstücke hinein und lässt sie rundherum scharf anbraten. Danach kommt das Wurzelgemüse dazu. Ein Kochkurs- Teilnehmer gibt grob zerkleinerte Karotten, Zwiebeln, Kohlrabi und Sellerie dazu. Wenn alles schön angeröstet ist, wird mit Rotwein aufgegossen. „Viel hilft viel, ist hier die Devise“, lacht Stefan Waldbauer und kippt eine ganze Flasche Wein zum Fleisch. Dabei gibt er uns den Tipp, Soßen und Suppen immer kalt aufzugießen, damit sie klar bleiben. Für den charakteristischen Geschmack fügt der Küchenmeister noch Wachholder, Piment und Lorbeerblätter hinzu. Dann folgt ein Glas selbstgemachter Wildfond aus den Abschnitten und Knochen. So darf der Rehbraten nun für etwa drei Stunden leise vor sich hin schmoren.
Wir widmen uns inzwischen der Vorspeise. Einem kräftigen Reh-Tatar. Dafür schneiden wir den Rehrücken in feine Würfel. Eigentlich könnte man ihn auch durch den Fleischwolf drehen. „Handgeschnitten hat das Tatar einen ganz anderen Charakter. Man braucht allerdings ein scharfes Messer. Gequetscht schmeckt es nicht“, sagt Stefan Waldbauer. Das Tatar wird nun mit einer vorbereiteten Marinade und roten Zwiebeln vermengt. Der Küchenmeister gibt noch Pfeffer und frischen Schnittlauch hinzu. Dann dürfen wir es auf Baguette-Scheiben anrichten. Mit einem Spritzer Trüffelmayonnaise und einer Blüte Brunnkresse garniert, ergibt es einen wahren Gaumenschmaus.
Während es in der Küche immer mehr nach Rotweinsoße duftet, geht es nun an die Zubereitung des edelsten Teils: des Filets. Es ist das zarteste Stück und sollte nur kurz gebraten werden. Ansonsten wird es schnell trocken. Stefan Waldbauer verrät uns ein Rezept auf die Schnelle. Dafür salzen und pfeffern wir die ganzen Filets und braten sie in der Pfanne rundherum scharf an. Hinzu kommen zwei Knoblauchzehen und eine Handvoll Pfifferlinge. Mit Sahne abgelöscht dürfen die Filets etwa fünf Minuten ziehen. Dann gibt der Küchenchef gekochte Tagliatelle dazu. Schwenkt alles durch und serviert die Pasta. Kaum zu glauben, dass sich Wildküche so einfach in den Alltag integrieren lässt.
In der Zwischenzeit serviert uns Stefans Ehefrau Barbara hausgemachte Grapefruitlimonade. Sie ist im Gasthaus Waldbauer für den Service und das Büro zuständig. Stefan erhält in der Küche Unterstützung von seiner Mutter. Sein Vater Johann versorgt die 250 Milchkühe des Betriebs. Diese sind in einem Stall im Nachbarort untergebracht. Der Vierseithof in Haag dient rein als Gast- und Wohnhaus der Familie. Hier leben ganze vier Generationen unter einem Dach. Stefan und Barbara mit ihren beiden Kindern, seinen Eltern und Oma Hilde. Im ausgebauten Stadl finden nun Hochzeiten und größere Feierlichkeiten statt. Auch Stefan ist gelernter Landwirt, erzählt er uns, während einige Kochkurs-Teilnehmer Eier in eine große Schüssel schlagen. Einer von ihnen gibt ein Päckchen doppelgriffiges Mehl hinzu, der andere Wasser. Dann rühren sie die Zutaten mit einem Kochlöffel zum Spätzleteig zusammen. Stefan Waldbauer gibt noch einen kräftigen Schuss Salz dazu. Währenddessen kümmern sich die Damen ums Blaukraut. Nun kann der Spätzleteig ein bisschen ruhen, bis er später in siedendes Wasser eingehobelt wird.
Rezept-Tipp
Reh-Bowl
Rehrücken:
Einen Rehrücken (ausgelöst)
mit Salz und Pfeffer würzen,
von allen Seiten anbraten und
anschließend zehn Minuten
bei 160 Grad (OberUnterhitze)
in den Ofen geben.
Zoodles und Marinade:
Für die Zoodles die Zucchini in
Spaghetti schneiden und eine
Marinade zubereiten.
Dafür eine Zwiebel, Sojasoße,
Limettensaft, Sweet Chili Soße,
Reisessig, Salz, Zucker, Sesam,
geröstetes Sesamöl, Pfeffer, Ingwer,
geräuchertes Paprikapulver, 1 Chili,
Honig und Knoblauch in den Mixer
geben und auf voller Stufe aufmixen.
Die Zoodles mit dem Dressing
marinieren und in einer Schüssel
anrichten.
Den Rehrücken in dünne Scheiben
schneiden, auflegen und mit etwas
WasabiMayonnaise,
frittierten Glasnudeln, etwas
Avocado und Kapuzinerkresse
garnieren.
Low carb, asiatisch und hipp
Stefan zeigt uns, wie man eine asiatische Reh-Bowl zubereitet. Ein trendiges Low-Carb-Gericht. Dafür schneiden wir ein paar Zucchini in Spiralen und Avocados in Scheiben. Der Küchenmeister stellt eine kräftige Marinade her. Er gibt eine Zwiebel, einen Schuss Reisessig, Salz, Zucker, gerösteten Sesam, Sojasoße, Limettensaft, Ingwerpulver, geräuchertes Paprikapulver, eine Chili-Schote, etwas Honig und Sweet-Chilisoße in den Thermomix. Dann mixt er die Marinade auf höchster Stufe und lässt durch den Deckel Sesamöl hineinlaufen, bis die Masse emulgiert. Wir dürfen probieren. Die Marinade ist leicht scharf, etwas süßlich und fruchtig-würzig. Das muss sie auch sein, wie wir erfahren. Denn die Zucchini ziehen durch ihren hohen Wassergehalt viel Geschmack. „Nun bereiten wir den Rehrücken vor. Zuerst werden wir ihn kräftig salzen und pfeffern und dann im Ganzen scharf anbraten, so bleibt er schön saftig“, erklärt Stefan Waldbauer. Während das Fleisch anröstet, gibt der Küchenmeister noch etwas Thymian drauf. Anschließend darf der Rehrücken noch zehn Minuten bei 180 Grad im Rohr garen. „Damit unser Rehrücken nicht trocken wird, sollte die Kerntemperatur bei zirka 60 Grad liegen. Wenn man ihn anschließend noch etwas ruhen lässt, ist er schön medium“, so der Koch. Nach der Ruhezeit schneiden wir den Rehrücken in dünne Scheiben. So richten wir ihn gemeinsam mit den marinierten Zoodles an. Stefan Waldbauer garniert die Bowl noch mit der Blüte einer Kapuzinerkresse. Und wir lassen uns das sommerliche Gericht auf der neu gestalteten Terrasse im Innenhof des Gasthauses schmecken. Ein Gedicht!
Doch nach dem Vergnügen kommt nochmal Arbeit auf uns zu. Der Rehbraten wartet auf seine Fertigstellung. Stefan nimmt das Fleisch aus der dampfenden Soße. Mit einem Teiglein aus Stärke und kaltem Wasser bindet er sie ab und erklärt dabei: „Das Wasser muss wirklich kalt sein, bei heißer Flüssigkeit kleistert die Stärke.“ Die Soße dickt gleich an, Stefan Waldbauer lässt sie noch kurz kochen. Er schmeckt sie mit Salz und Pfeffer ab. Gibt noch einen Schuss Essig hinzu. Wir dürfen wieder probieren. Unser Fazit: Perfekt. Eine feine Rotweinnote kommt durch. Dann wird der Rehbraten mit Blaukraut und Spätzle angerichtet. Dazu drapiert der Küchenmeister noch ein paar essbare Blüten aus dem Kräutergarten der Waldbauers. Denn hinter dem Gasthaus hegt und pflegt die Familie einen riesigen Gemüsegarten. Wir lassen uns den zarten Rehbraten nun auf der Terrasse schmecken und den Abend bei einem Glas Rotwein ausklingen. So schmeckt echte Wildküche.